Der Krieg kommt auf den Vorstadtspielplatz

Gestern ist der Krieg in der Ukraine plötzlich aus dem Fernseher gefallen. Mitten auf unseren vorabendlichen Vorort-Spielplatz irgendwo in Deutschland. Eine kleine Geschichte, die viel erzählt über diesen sinnlosen Krieg, die Hoffnung und die unglaubliche Stärke von Menschen. Eine kleine Geschichte über eine Mutter und ihre Tochter und eine Begegnung, die nachhallt.

Zusammen stark, zusammen schwach: Ein starkes Band zwischen Mutter und Tochter.
Zusammen stark, zusammen schwach: Ein starkes Band zwischen Mutter und Tochter. Symbolfoto: Unsplash

Die Kinder verstehen sich, wie es nur Kinder tun

Liebe nimmt alles auf sich, sie verliert nie den Glauben oder die Hoffnung und hält durch bis zum Ende.

Korinther 13,7

Meine beiden Töchter und ich lernen auf dem Spielplatz gleich bei uns um die Ecke eine junge Frau kennen, die vor vier Wochen – kurz nach Kriegsbeginn – mit ihrer fünfjährigen Tochter aus Lemberg (Ukraine) nach Deutschland geflüchtet ist. 

 

Unsere Kinder beginnen miteinander zu spielen, ohne ein Wort der Sprache des anderen zu verstehen. So, wie es nur Kinder können. Weil die Frau kein Deutsch und kein Englisch versteht und ich weder Ukrainisch noch Russisch spreche, versuchen wir es mit Google Translate und kommen an diesem frühlingshaften Montag ins Gespräch. Wir sprechen all unsere Fragen und Antworten ins Handy. Nur das mit den Namen kriegen wir so hin. Sie heißt Natalia und ihre kleine Tochter Kateryna (Namen geändert).

Nachts kommen die schlimmen Träume

Ich sehe eine junge Frau, die aussieht, als führe sie ein ganz normales Leben in einer ganz normalen Kleinstadt in Deutschland oder sonstwo auf der Welt. Nichts verrät, was gerade in ihr vorgeht. Nichts verrät, dass schlimme Träume sie vom Schlafen abhalten. Dass ihre Verwandten in der Ukraine Dinge erleben müssen, die ihre Körper und ihre Seelen noch lange begleiten werden. Wenn sie sie überhaupt überleben. 

Dass ihre fröhlich auf dem Spielplatz tobende Tochter nachts aufwacht, nass geschwitzt, weil ihre Angst und ihre Unsicherheit den Raum besetzen, den tagsüber ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit einnehmen. Dass sie ihren Papa vermisst und jede Nacht den verschwitzten Körper ihrer Mutter neben sich umarmt.

Eine halbe Stunde lang alles vergessen

An diesem Montag, auf einem Vorstadtspielplatz in Deutschland, umgeben von unbedarft zwitschernden Vögeln, in warmes Vorabendlicht getaucht, sehe ich eine junge Frau, die sich freut. Über ihre Tochter, die für eine halbe Stunde ganz im Spiel versunken ist und den Moment genießt, wie es nur Kinder können. Doch wenn die Sonne langsam untergeht und der Spielplatz sich leert, wenn alle, die dieses Land hier Heimat nennen dürfen, sich an ihre vertrauten Abendbrottische setzen, wickelt die Frau ihre Strickjacke fester um sich und nimmt die Hand ihrer Tochter. Sie sendet auf dem Rückweg in ihre Unterkunft ihre tägliche Sprachnachricht an die Schwester in der Ukraine und wird das Gefühl nicht los, gleichzeitig das größte Glück und unendliches Pech zu haben.

 

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Eine Antwort

  1. Welch berührende Worte…den Tränen nahe sitze ich da, weil in dieser Erzählung so viel Wärme und Liebe verborgen ist.. und Hoffnung….ja, lasst uns diese nie verlieren und auch füreinander ein Stück Hoffnung sein…

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